Barkeeper Porträt #10: Otto Lindinger

Barkeeper Porträt #10: Otto Lindinger

Jeder von uns hat eines. Eines, das er am meisten liebt, auf das er schwört, und das er das ganze Jahr über händeringend herbeisehnt – sein liebstes Wiesnzelt. Nirgends spielt die Band fetzigere Wiesnhits, nirgendwo isst und trinkt man besser, die Bedienungen sind hier am freundlichsten und die anderen Wiesngäste… wie eine zweite Familie! Verantwortlich dafür, dass wir 16 Tage lang die schönste Zeit des Jahres haben, sind jedoch vor allem die Wiesnwirte. Aber, was macht ein Wieswirt eigentlich den Rest des Jahres, also quasi die restlichen 349 Tage im Jahr, wenn kein Oktoberfest ist? Und vor allem was macht er in diesem speziellen Jahr 2020 in dem die Wiesn zum ersten Mal seit 71 Jahren abgesagt wurde?

In diesem besonderen Barkeeper Porträt steht uns Otto Lindinger, Wiesnwirt von Bodo’s Cafézelt & Cocktailbar und seit 2019 Sprecher der kleinen Wiesnzelte Rede und Antwort für ein Interview der etwas anderen Art. Sehr bescheiden und sympathisch erzählt er von seinem Alltag als Wiesnwirt und gibt uns den ein oder anderen exklusiven Einblick hinter die Kulissen des größten Volksfestes der Welt, dem Oktoberfest.

 

Bodo’s Cafézelt ist eines der kleineren Wiesnzelte. Eines, das der typische Oktoberfest-Tourist nicht unbedingt kennt. Hier stehen keine Bierbänke, sondern kleine runde Kaffeehaus-Tische und es werden auch keine Maßkrüge durchs Zelt getragen, sondern Kaffeehaferl und gute Drinks. Jeden Abend gegen 17 Uhr fängt dann die Band an aufzudrehen und plötzlich steht man inmitten einer großen Party. Hier treffen sich die Einheimischen, die es gern ein bisschen „griabiger“ haben und genau diese Mischung macht den Charme des Zeltes aus.

THE DUKE Destillerie: Lieber Otto, eigentlich würden wir jetzt in Deinem Zelt auf der Theresienwiese sitzen und dieses Gespräch führen. Stattdessen treffen wir uns in Deinem Hotel in Aschheim, 100 Meter von unserer Destillerie entfernt und Dein Wiesnzelt bleibt dieses Jahr eingelagert. Erzähl uns bitte wie ihr von der Hiobsbotschaft, dass das Oktoberfest 2020 abgesagt wird, erfahren habt.

Otto Lindinger: Es hat sich natürlich angedeutet und es wurde schon länger spekuliert, aber von der endgültigen Absage haben auch wir durch die Pressekonferenz am 21. April 2020 erfahren. (Anm. d. Red.: In einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) das größte Volksfest der Welt für abgesagt.) Für uns ein Schock, aber absolut und zu 100% nachvollziehbar. Es war klar, dass München in diesem Jahr keine sechs Millionen Mensch begrüßen wird. Und für die Marke „Oktoberfest“ wäre eine Durchführung fatal gewesen. Wenn man sich ein großes Bierzelt vorstellt, in dem anstelle von 8.000 plötzlich nur noch 3.000 Personen sitzen, um die Hygiene-Auflagen einzuhalten, wirkt das natürlich relativ schnell auch ein wenig befremdend; und mit dem unbeschwerten Feiern, für das das Oktoberfest ja bekannt ist, hat das – ehrlich gesagt – recht wenig zu tun. Man muss der Richtigkeit halber aber auch dazu sagen, dass die Wiesn für 2020 auch noch gar nicht zugesagt war. Ob das Oktoberfest stattfindet oder nicht, wird ja jedes Jahr vom Stadtrat neu entschieden und beschlossen.

 

Gab es das schon mal, dass eine Wiesn ausgefallen ist?

Das ist seit 1949 die erste Absage des Oktoberfestes. In 210 Jahren Oktoberfest Geschichte ist die diesjährige Wiesnabsage die 25. Absage seit 1810. Der Grund der Absagen waren meist Kriege oder Epidemien.

Ein Wiesnwirt hat ja bereits seine Konsequenzen gezogen – die Familie Heide sagt nach 83 Jahren und vier Wiesnwirte-Generationen „Servus“ zur Wiesn. Sie wird sich 2021 nicht mehr für den Betrieb der Bräurosl bewerben. Wie geht es dem Bodo’s Cafézelt in der aktuellen Situation?

Diese Entscheidung spiegelt natürlich die allgemeine Unsicherheit und die damit verbundene Planungsunsicherheit der Wirte wider. Wir tragen alle ein großes wirtschaftliches Risiko und gehen oftmals in große finanzielle Vorleistungen.

Die Hacker-Pschorr Brauerei wird sich jetzt einen neuen Wirt suchen, der die Bräurosl zukünftig betreibt und diesen der Stadt vorschlagen. Der Vorgang ist hier unterschiedlich: Die kleinen Zelte bewerben sich jedes Jahr aufs Neue bei der Stadt, während die großen Zelte in Brauerei-Hand sind und die Brauereien wiederum einen Wirt „einsetzen“, der ihr Zelt betreibt. Es passiert immer mal wieder, dass ein Wirt sein Zelt aufgibt, bzw. aufgeben muss. Das sind normale Abläufe. (Anm. d. Red.: der letzte Wirtewechsel war 2014 wegen eines großen Steuerskandals) Deswegen wird es die Bräurosl auch weiterhin als Wiesnzelt geben, allerdings mit einem neuen Zelt. Die Fundamente hierfür wurden bereits Anfang des Jahres auf der Theresienwiese gelegt.

Bodo’s Cafézelt wird es 2021 auf jeden Fall auch wieder geben. Wir werden unsere Bewerbung wie die Jahre zuvor auch bis zum 31.12.2020 bei der Stadt München abgeben. Unser großes Glück – was man ja oft nicht sieht – ist,  dass wir Wirte die Wiesn ja „nebenbei“ machen. Jeder der Wiesnwirte hat Ganzjahresbetriebe am laufen. Die Absage des Oktoberfestes ist für mich wirtschaftlich jetzt kein finanzielles Fiasko, mich nimmt’s dafür emotional ziemlich mit. Ich habe gedacht, ich steck’ es lässiger weg, aber je näher der Termin des Anstichs rückte, umso unruhiger wurde ich. (lacht)

Erzähl uns doch mal was Dich in die Gastronomie gebracht hat?

Ich wurde in die Gastronomie bzw. Hotellerie buchstäblich reingeboren. Unser Hotel ist seit 140 Jahren in Familienbesitz, es war von Seiten meiner Familie aber nie der Druck da, dass ich den Betrieb weiterführen muss.

Nach meinem Abitur und der Bundeswehr hab ich auf der Hotelfachschule in der Schweiz studiert und verschiedenste Praktika absolviert. Seit 2003 bin ich wieder in München und dementsprechend zurück im Familienbetrieb. Ich führe den Betrieb jetzt in fünfter Generation und bin stetig dabei anzubauen, umzubauen und das Hotel weiterzuentwickeln.

War Gastronom schon als Kind Dein Berufswunsch?

Irgendwie war es für mich persönlich immer klar, dass ich den Betrieb weiterführen möchte. Architektur hätte mir auch Spaß gemacht und die Leidenschaft lebe ich jetzt tatsächlich aus, indem wir das Hotel regelmäßig umbauen und erneuern. (Anm. d. Red.: Aktuell erweitert Otto von zwei auf vier Tagungsräume und kernsaniert 26 seiner 77 Hotelzimmer)

Bitte verrate uns: wie wird man eigentlich Wiesnwirt?

Ich bin durch meine Freundschaft zum Bodo Müller zum Zelt gekommen. Wir waren beide Faschingsprinzen bei der Narrhalla München e.V. – er 1985, ich 2006 – und haben uns dadurch kennengelernt. Eines Abends saßen wir bei ein paar Bieren zusammen und da hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ihn auf der Wiesn zu unterstützen. 2009 habe ich als Geschäftsleitung angefangen und sein Lebenswerk dann 2014 übernommen und führe es bis heute weiter. Ich bin nach und nach in die Aufgabe reingewachsen und es macht mir großen Spaß.

Normalerweise ist der Weg natürlich ein anderer, man fängt mit einem kleinen Standplatz an und sobald etwas Größeres frei wird, vergrößert man seinen Betrieb. Ich bin Bodo unglaublich dankbar, dass er mir sein Lebenswerk übergeben hat – das Bodo’s Cafézelt gibt es dieses Jahr 32 Jahre, das ist eine lange traditionsreiche Geschichte, auf die wir zurückblicken können.

Was macht Dir an Deiner Tätigkeit auf der Wiesn am meisten Spaß?

Wir sind ein kleiner Teil von dem, was das Gesamt-Kunstwerk Oktoberfest, das ja auf der ganzen Welt bekannt ist, ausmacht. Und die Symbiose meines Gäste-Klientels, auf der einen Seite die Jungen an der Cocktail-Bar und die „junggebliebenen“ Stammgäste, die unser Zelt seit nun mehr 30 Jahren besuchen. Diese Mischung macht mir unglaublich viel Freude.

Was machst Du die restlichen 349 Tage im Jahr, wenn keine Wiesn ist?

Naja, was immer keiner sieht: wir Wiesnwirte sind ja Vollzeit-Gastronomen und führen unterjährig unsere Betriebe. In meinem Fall bedeutet das, ich leite das Hotel und führe zudem noch Veranstaltungen und Caterings durch.

(Anm. d. Red.: “Nebenbei” ist Otto auch Vorstand der Aschheimer Schäffler die 2019 auch bei unserem Winterfest auf dem Hof der THE DUKE Destillerie getanzt haben.)

Warum steht unser THE DUKE Gin in Deiner Cocktailbar?

Als Bayer ist man ja ein bisserl ein Patriot – das darf man glaube ich schon so sagen (lacht) und deswegen freu ich mich natürlich über heimische Produkte und unterstütze diese auch. Da wir auf der Wiesn immer gerne mit regionalen Bio-Produkten arbeiten, wird der THE DUKE Gin bereits seit einigen Jahren exklusiv bei uns ausgeschenkt und Euren LION’s Vodka habe ich natürlich ebenfalls an der Bar.

2016 seid Ihr mit Eurer Destillerie auch noch nach Aschheim in die direkte Nachbarschaft gezogen. Und jetzt sind wir nicht nur Geschäftspartner sondern auch Nachbarn.

Was ist Dein persönlicher Lieblingsdrink?

Hab ich tatsächlich nicht – ich bin da eher situativ und entscheide ganz spontan. Wenn’s einer ist, dann der Vodka-Soda mit viel Limette, um den Wasserhaushalt wieder auszugleichen. (lacht)

Du bist ja beruflich sehr eingebunden – wenn Du einmal einen freien Tag hast, wie sieht der bei Dir aus?

Auf alle Fälle von Sport geprägt. Im Sommer Wassersport und im Winter Touren-Ski. Und natürlich schön Essen gehen und Gastronomie-Kollegen besuchen.

Wenn Du einen Wunsch an die Wiesn Wirte, den Bürgermeister/Stadtrat oder das KVR frei hättest, welcher wäre es?

Das Oktoberfest macht doch einen Großteil unseres Münchner oder auch Bayerischen Lebensgefühls aus und die ganze Welt ist zu der Zeit bei uns zu Gast, um das mehr oder weniger intensiv mitzuerleben. Mein Wunsch ist eigentlich nur, dass das auch so bleibt, das alle Gewerke bestmöglich zusammenarbeiten, um auch weiterhin eine friedliche Wiesn miteinander zu haben.

Plauder doch bitte noch ein bisschen aus dem Nähkästchen. Was ist Deine verrückteste Wiesn-Story?

Es gibt natürlich einige schöne Geschichten, die fernab des ganzen Trubels hinter den Kulissen passieren. Was die meisten Wiesn Besucher nicht wissen: Viele Zelte und Schausteller haben hinter Ihren Zelte kleine Bereiche in denen man nach Feierabend noch zusammensitzt und sich austauscht. Da kommen oft kuriose Dinge auf, die über die Wiesn-Zeit so passieren – für uns Wirte und Schausteller quasi Alltag.


Bei der Achterbahn „Höllenblitz“ zum Beispiel gibt es auch eine kleine Hütte, die von außen aussieht wie eine Deko-Hütte, aber als gemütliche Bauernstube ausgebaut ist, mit Eckbankerl und Minibar. Hier treffen wir uns manchmal noch auf einen Ratsch und ein Bier. Im letzten Jahr gab es einen Abend, an dem wir auch wieder nach Wiesnschluss  zusammensaßen und irgendwann einer von uns auf die Idee kam, den „Höllenblitz“ nochmal anzuschmeißen und noch eine Runde zu drehen. Man muss dazu sagen, dass es in dieser Nacht in Strömen geregnet hat, wir aber dennoch bei unserem „Sicherheitscheck“ eine fetzen Gaudi hatten.

 

Hast Du zum Abschluss noch eine Bitte an Deine Wiesngäste?

So sehr ich sonst darüber schimpfe und deshalb ab 17 Uhr nicht mehr ans Telefon gehe, weil wieder irgendein Spezi mit 320 seiner „besten Spezl“ vor meiner Tür steht und will, dass ich ihn ins maßlos überfüllte Zelt hole, so sehr werd’ ich’s dieses Jahr auch vermissen. (lacht) (Anm. d. Red.: In Bayern ist ein “Spezi” oder “Spezl” ein guter Bekannter, “fast wia a Freind”)


Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Wir haben diesmal ausnahmsweise keine fancy-verrückten Drinks zubereitet, sondern das gemacht, wofür Bodo’s Cafézelt bekannt ist: seine Krapfen! Selbstverständlich in typischer THE DUKE Manier mit alkoholischer Füllung, zum Nachbacken für daheim. Damit all diejenigen, denen die Wiesn dieses Jahr auch so sehr abgeht wie uns sich mit Bodos Krapfen ein klitzekleines bisschen Wiesn-Feeling nach Hause holen können.


Gin Tonic Marmelade

Rezept für ca. 4 Gläser (je 150 ml)

 

Zutaten

100 ml THE DUKE Munich Dry Gin

400 ml Tonic Water

Frisch gepresster Saft einer Bio-Limette

500 g Gelierzucker 1:1

Zubereitung

Tonic Water, Limettensaft und Gelierzucker in einem großen Topf mischen und unter Rühren zum Kochen bringen. Die Schale der Bio-Limette in dünne Streifen schneiden und hinzufügen. Ca. 10 Minuten sprudelnd kochen lassen, dabei ständig umrühren. Zum Ende den Gin hinzugeben und vom Herd nehmen. Anschließend die Flüssigkeit in die heißen Gläser umfüllen, fest verschließen und stürzen.

Abkühlen lassen und entweder als Brotaufstrich, Krapfen- oder Kuchenfüllung verwenden.

Moscow Mule Pudding

Rezept für ca. 4 Schälchen

 

Zutaten

100 ml LION’s Vodka

500 ml Milch

40 g Speisestärke

60 g Zucker

30 ml frisch gepresster Saft einer Bio-Limette

20 ml Bio Ingwersaft

Zubereitung

Mit einem Schneebesen ca. 100 ml Milch mit der Speisestärke verrühren, sodass keine Klumpen entstehen. Die restliche Milch hinzugeben und unter Rühren zum Kochen bringen. Währenddessen den Zucker, Limettensaft und Ingwersaft unterrühren. Zum Schluss den Vodka hinzugeben, vom Herd nehmen und in eine Schüssel umfüllen.

Abkühlen lassen und entweder pur genießen, als Krapfen- oder Kuchenfüllung verwenden.


Allen, die das Oktoberfest samt Bodo’s Cafézelt und Cocktailbar auch so vermissen wie wir, schlagen wir als Wiesn-Alternativprogram einen Besuch bei der Familie Lindinger im Hotel und Gasthof zur Post vor: feines bayrisches Essen, kühles Bier oder Gin & Tonic, eine gemütliche Atmosphäre, 140 Jahre Familientradition und das ganze nur einen Katzensprung von unserer Destillerie entfernt. Otto freut sich auf Euren Besuch und wir uns alle schon auf die Wiesn 2021!